Rudolf Genées "Goethegeheimnis"
Wien [ENA] Der deutsche Schriftsteller vieler Theaterstücke und literaturwissenschaftlicher Werke Rudolf Genée (1824-1914) hätte mit seinem Buch "Das Goethe-Geheimnis. Eine sensationelle Enthüllung" eigentlich einen Riesenskandal auslösen können, der aber interessanterweise ausblieb. Wie kommt das? Worin besteht also das große Geheimnis, dass Genée zu enthüllen glaubt? Angeblich stammen die besten Dramen Goethes von Schiller!
Genée weist dabei auf die "Ungleichheit poetischer Schöpfungen" in Goethes Werken hin. Er meint, dass der Dichter der großartigen Dramen Faust, Egmont, Tasso und Iphigenie ein völlig anderer zu sein scheint, als jener der "nichtigen, ja erbärmlichen Dramen" wie zum Beispiel "Die Mitschuldige" oder "Die natürliche Tochter". Dass Goethes bekannte Werke wie der Götz, Werther und die Anfänge vom Faust vor der Zusammenarbeit mit Schiller entstanden, führt Genée auf die "trunkene Shakespeare-Begeisterung" zurück, die damals viele Dichter und Künstler wie Herder, Lenz oder Wagner zu "Feuergeistern" entflammten. Angeblich war Goethes dichterische Kraft 1780 erlahmt. Es war aber auch die Zeit, in der Goethe begann Schiller zu protegieren.
Er verhalf ihm in Weimar an der Universität zu einer Anstellung, die Schiller dringend benötigte. Dabei konnte sich Goethe angeblich im geheimen der Mitarbeit Schillers an seinen großen Dramen Iphigenie, Egmont oder Tasso sichern, wenn er sie nicht überhaupt als Ghostwriter verfasste Obwohl Genées Buch "Das Goethe-Geheimnis" penible recherchiert ist und oft durchaus plausibel erscheint, hat er die Bedeutung Goethes als "Dichterfürsten" unterschätzt, obwohl jener vielleicht manchmal mehr Fürst als Dichter war. In seinen gesellschaftspolitischen, literarischen oder naturwissenschaftlichen Bezügen war Goethe so derartig vielseitig, dass gerade darin seine Großartigkeit besteht, die ihn zum Gesamtkunstwerk der Literaturgeschichte machen.